Abenteuer Wallfahrt

03.03.2020 15:34

Manchmal soll man über sich selbst lachen. Lesen Sie diesen Bericht mit einem Schmunzeln auf den Lippen. So ist er auch verfasst worden.

16.5.2015:

Ein junger alter Mann beschloss, alleine von Hollabrunn nach Sieghartskirchen zu gehen. Die Strecke hatte er schon zweimal in der Wallfahrergruppe zurückgelegt. Hier war er Mitläufer. Sie (die Strecke - Anm. der Redaktion) war also nicht neu für ihn. Neu war, dass er alleine und nur auf Karten angewiesen dieses Abenteuer versuchte. Er deckte sich mit Plänen ein. Er hatte eine genaue Karte, wo man die letzten Jahre gegangen war. Nur – er hatte keinerlei Erfahrung mit Karten und Wanderkarten.

Frohgemutes verließen seine Schuhe um 5.45 das Haus. Darin steckte er, der junge alte Mann. Nach einer halben Stunde war er endlich am Punkte 0 angekommen. Er hatte nämlich eine Benchmarkkarte mit dabei und wollte nicht langsamer sein als die Gruppe. Startzeit am 0 Punkt: Minus 45 Min. Er startete also 45 Min. später vom 0 Punkt als in der Benchmarkkarte eingetragen war. Warum 0 Punkt? Weil er von zu Haus bis zum Startort, wo die Gruppe ihren Weg anfing, eine halbe Stunde gehen musste.

Frohen Schrittes ging es von Hollabrunn nach Großstelzendorf und weiter nach Eitzerstal. Dort nahme er die Abzweigung nach Oberpaschenbrunn. Nur: die Abzweigung endete an der Straße nach Tulln. Also so nicht! Wo war immer die erste Rast? Ach ja, bei Fam. Wasner. Wo befindet sich hier das Anwesen der Fam. Wasner? Dort schräg oben. Also retour und bei der richtigen Abzweigung hinein. Dieser Umweg kostete fast eine Viertelstunde. Kein Problem, das würde er mit den verkürzten Pausen locker einholen.

Am Weg nach Oberpaschenbrunn gab es eine Kreuzung, wo er zu entscheiden hatte: nach rechts irgendwohin, geradeaus befand sich ein etwas dubioser, weil total verwachsener Weg oder auf der Bundesstraße nach Tulln. Er entschloss sich, den dubiosen Weg zu gehen. Es war nicht besonders überraschend: Er endete an einem Feld. Aber: er hatte 200 m nicht auf der Straße verbracht. Er überschritt einen kleinen Graben, jumpte an einer kleinen Böschung hinauf. Voila! Er stand auf der Straße und ging diese einige hundert Meter entlang. Dann war rechts die Abzweigung nach Oberpaschenbrunn. Komisch:  jetzt entdeckte er, dass parallel zur Bundesstraße ein asphaltierter Weg verlief. Hatte er da was übersehen? Er beschloss, dies später zu erkundschaften. In die Ortschaft Oberpaschenbrunn nahm er den Hohlweg, der sonst wild verwachsen war, dieses Jahr offensichtlich gemäht und die Büsche gestutzt worden waren. Der Weg nach Stranzendorf verlief problemlos. In Stranzendorf sah er eine Werbetafel einer KFZ Werkstatt. Ja richtig, hier links hinein. Er nahm frohen Mutes die dritte Straße nach rechts. Irgendwie zog es ihn dort hin. In der Fliederstraße roch der Flieder einfach fantastisch. Der Weg stieg an, bog nach links ab. Hey, was soll das? Er  muss doch gerade und flach gehen. Erkenntnis: dies war der falsche Weg. Also retour auf die Straße. Er hatte sich offensichtlich geirrt. Bei der KFZ Tafel nach links scheint nicht der weiterführende Weg zu sein. Wieder 15 bis 20 Min. weg.  Also nahm er die Straße. Nach einigen Minuten sah er parallel zur Bundesstraße einen asphaltierten Feldweg. Anfangs weigerte er sich, diesen zu akzeptieren. Doch ihm war klar, dort muss er hin. Nur: zwischen Feldweg und Straße war ein Bach. Dieser war  breiter als er ursprünglich vermutete. Wo beginnt denn dieser fiese Weg? Er  ging zurück. Die einzige Möglichkeit war die Abzweigung mit der KFZ Werbetafel.  Nun wurde ihm klar: es war die erste Wegabzweigung und nicht die dritte! Mensch, das ist ja wirklich ärgerlich! Also dann noch rascher vorwärts. Schon bald sah er an einer Wegkreuzung ein Abzweigung nach rechts, hin zur Straße. Irgendwie fiel ihm das auf. Aber er beschloss, gerade zu gehen. So gleich neben der Straße zu gehen ist uncool. Der Weg führte ihn nach oben. Dort angekommen sah er in der Ferne schon den geraden Weg zur Bundesstraße Stockerau – Horn, die er genau dort überqueren musste. Dort sah er auch die überbrückte Kreuzung. Super. Also los. Doch: der Feldweg, auf dem er sich befand, bog plötzlich links ab. Was war das schon wieder! Er musste doch dort halbrechts  hinunter, ca. 1 km, zur Direttissima zur Bundesstraße. Aber da war kein Weg. Er nahm den guten Plan heraus. Diese viele Linien und Eintragungen in der Karte verwirrten ihn eher als dass sie ihm halfen. Der eingezeichnete Weg verlief doch tatsächlich neben der Straße. So ein Humbug. Neben der Straße! Er suchte jetzt einen Weg nach dort unten.  Nur: da war kein Weg. Er lief nach vor und zurück. Und wie wäre es, einfach zum Weg neben der Straße zu gehen? Er sah ihn, dieser war aber durch Felder getrennt. Kurz entschlossen beschloss er, einfach nach untern zur Direttissima zu gehen. Zunächst durchschritt er einen Weingarten. Dann die erste Hürde: eine Böschung. Hinunter mit ihm. Auf den Stöcken aufgestützt sprang er hinunter. Nun galt es, eine Wiese mit hohem Gras zu durchqueren. Und danach: das Gelände war wie abgeschnitten. Ein 1 m senkrechter Böschung trennte ihn von der nächsten Ebene. Wild entschlossen nahm er das Hindernis im Sprung. Gleich hatte er den Weg erreicht. Nur: dieser Weg und der Weg zur Direttissima war durch einen tiefen Graben getrennt. Vorsichtig tastete er sich Schritt für Schritt die Böschung hinunter und drüben wieder hinauf. Puhh. Geschafft. Das ganze Abenteuer in Stranzendorf kostete ihm mehr als 1 Std. Zeitverlust. Dieser blöde Benchmark. Was geht ihm der an? Er war jetzt mehr als 2 Std. im Minus. Aber was solls: Die Direttissima führt direkt zur Horner Bundesstraße, die er überquerte. Wo geht es nun weiter: genau. dort rechts in der Nähe der Unterführung beginnt der Weg nach Pettendorf. In der Kellergasse wird er sich, wie beim letzten Mal, hinsetzen und gemütlich frühstücken. Auf diesem Weg, so erinnerte er sich, wurde der erste Rosenkranz gebetet. Forschen Schrittes bewegte sich der junge Alte Richtung Pettendorf. Links sah er drei Hallen von Landwirtschaftsbetrieben. Er nahm den Weg entlang der Hallen, sah aber keine Kellergasse. Also doch der Weg gerade. Komisch, der war aber hoch mit Gräsern verwachsen. Dort gingen nicht viele Leute. Wo zum Teufel befindet sich diese Kellergasse? Er hatte sich schon so gefreut, über diese grüne Oase in die Kellergasse einzutauchen und sich an den Tischen und Bänken, die vor manchem Keller stehen, zu laben. Er ging also über die Straße nach Pettendorf. Noch vor der Straßenkurve sah er sie: die Kellergasse. Fein säuberlich angeschrieben. Nun sah er sie von der anderen Seite. Er wollte nicht hochlatschen. Dafür hatte er sich schon geärgert genug. Also wählte er einen mit Moos bewachsenen Pressstein vor einem der Keller, setzte sich nieder und vollzog ganz unkonventionell die Morgenstärkung. Pettendorf liegt direkt an  Gaisruck, wo man zunächst steil bergab ging. An der Hauptstraße angelangt bog er wie im Traum nach links, um vorne bei der Kreuzung nach Tulln wieder einzuschwenken. Nach einigen Metern auf der Straße nach Tulln wurde ihm klar, dass er falsch war. Da gab es keinen Feldweg. Da fuhren nur Autos. Er nahm den Plan heraus. Ja klar, er hätte vorne bei der Kreuzung von Pettsdorf kommend gerade aus gehen müssen. Mit etwas Energie glich er die Falschentscheidung wieder aus. Der Plan. Er musste mehr den Plan heranziehen! Er war nun schon über 2 ½ Std. hinter den Benchmarkwerten. Das kann es doch nicht geben! Unverzagt schritt der junge alte Mann den nun entdeckten Feldweg entlang. Nach einiger Zeit gabelte sich der Weg wieder. Gerade, halb links oder links? Er wollte zur Autobahnbrücke in der Nähe der Bildereiche, also Tullner Autobahnauffahrt. Das Gefühl sagte ihm: links könnte keine schlechte Entscheidung sein, aber war das logisch? Der IMap Routenplaner sagte ihm, dass er den halben Weg nach Gaisruck zurückgehen müsse und auf der Straße entlang marschieren. So ein Schmarren! Imap zeigte nur verwirrende Linien und Zeichen an, keine Übersicht für die Orientierung. Die geladene Karte, auf der er so sehr vertraut hat und die ihm den Weg punktgenau gezeigt hätte, funktionierte einfach nicht. Gerade jetzt, bei dieser Weggabelung hätte dies geholfen so wie bei allen Entscheidungen vorher auch. So ist es mit der Technik. Wenn du darauf vertraust kann es dir passieren, dass du alleine dastehst. Der ausgedruckte Plan schwenkte nach links. Aber ist das hier gemeint? So eindeutig war das nicht nachzuvollziehen. Also schaute er sich auf IMap einfach das Satellitenbild an. Ja, das hat schon was. Mit Hirn, einiger Logik und etwas technischer Unterstützung kam er dann doch auf die richtige Entscheidung: links. Links auf den Feldweg bis zur Bundesstraße und dann einige hundert Meter weiter auf der Straße. That’s it! Und so war es dann auch. Bei der Bildereiche nahm er dann den Radfahrer- und Fußgängerweg parallel zur Straße bis Tulln. Hier machte er Halt an der Donau. Nach Benchmark 30 km, in seiner Realität aber mind. 5 km weiter, hatte er um 14.45 Tulln erreicht. Thanks god! An der Donau, im Gasthaus zum Donaublick, rechts  neben der öffentlichen Toilette, konnte er endlich gemütlich sitzen. Er genehmigte sich ein 0,83 l hoch mineral- und kaloriehaltiges Getränk. Manche Schnösel sagen dazu einfach Bier. Spezialisten rufen es Zwickl. Das hatte er auch ganz bitter nötig. Hühnerstreifen auf Blattsalat gaben ihm die Vitamine, die er jetzt brauchte. Interessiert beobachtete er, dass die öffentliche Toilette überwiegend von Frauen frequentiert wurde. Klar, Männer finden entlang der Donau genug buschige Verdecke.  Voll Energie und Wanderlust machte er sich auf, die letzten 12 km zu bewältigen. Tulln war bald durchquert. Er fand auch den Weg, wo die Wallfahrer jedes Jahr, von der landwirtschaftlichen Fachschule kommend einfädelten. Es ging einen asphaltierten Weg hurtig voran. Nach der Unterführung war wieder eine Weggabelung. Kein Problem. Er nahm die Kartenblätter heraus und suchte jene von Tulln nach Sieghartskirchen. Bis Tulln hatte er sie. Rapottenkirchen war die nächste Karte. Wo ist denn hier Sieghartskirchen? Hey? Ist Sieghartskirchen nicht im Plan vermerkt? So klein ist das ja gar nicht. Nichts. Schön langsam dämmerte es ihm: das Kartenblatt ruhte wohlbehalten zu Hause. Er stand nun da: ohne Karte, ohne Ahnung, wo und in welcher Himmelsrichtung Sieghartskirchen sein könnte. Er wusste nur: noch 12 km. Er konnte hier nicht übernachten. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Der Imap Routenplaner empfahl mir gerade zu gehen, also nach Freundorf. Also wandte er eine alte Regel an: wenn du vor einer Entscheidung stehst und du hast zu wenig Fakten: entscheide nach deinem Gefühl. Denn eine falsche Entscheidung kannst du korrigieren. Genauso war es auch. Er traf die falsche Entscheidung und ging gerade weiter anstatt rechts abzubiegen. In Freundorf irrte er umher. Ein Gentleman türkischer Abstammung gab ihm zu verstehen, dass er irgendwo da vorne rechts abbiegen solle. Das tat er dann auch. Eine junge Frau mit Hund gab ihm mehr Orientierungshilfe: „Sie sind völlig falsch. Ich zeige Ihnen den Weg. Diese Straße hinauf und dann rechts, immer rechts nach Westen.“ Na gut. Mit ihm könne man ja reden, kam es ihm. Er fragte noch: wo Rapottenkirchen liege. Dort war sie noch nie, gestand die Dame. Er hielt sich an ihre Beschreibung und landete nach 1 km wieder auf der Straße, nun in Zöbing. Hier merkte er, dass der Strom des Iphons schön langsam zur Neige ging. Noch 12 %. Er musste aber noch das Taxi in Sieghartskirchen anrufen, das ihm zum Gasthaus Schmid nach Ried am Riederberg bringen sollte. Aber erst in 1 ½ Std. Wahrscheinlich. Der Taxilenker hob aber nicht ab. Also: am falschen Weg, ohne Smartphone, ohne Karte. Was tun? Der letzte Ausweg: die Straße. Also auf nach Judenau. Auf der Straße. In Judenau schwenkte er mit der Straße scharf nach links. Na endlich: er konnte am Wegweiser wenigstens Sieghartskirchen lesen. Also gab es sie schon noch, dieses Sieghartskirchen. Es hat niemand diese Stadt weggezaubert. Jetzt war er sich sicher. Ihm hat nur das Kartenblatt gefehlt. Es ist einfach unlustig, auf der Straße mit vielen Autos zu gehen. Schon bald sah er den gewünschten Parallelweg. Während er auf der Straße einen großen Umweg im Sinne eines gleichschenkeligen Dreiecks machte, bewegten sich die Benutzer dieses Weges dort auf der Querverbindung dieses Dreiecksschenkels. Also sie machen einen maximalen Abkürzer. Er konnte aber dort nicht hin. Es trennten ihn einige Felder. Radfahrer, Fußgänger – all das beobachtete er während wieder ein Auto in großer Geschwindigkeit an ihm vorbeiraste. Dann endlich: Wagendorf. Hier wollte er nach links zum Wanderweg schwenken. Dazu befragte er eine Rad fahrende Familie, die ihm entgegenkam. Nein, nicht da hinein, nach Sieghartskirchen ginge nur der Weg auf der Straße, war die Auskunft. Also weiterstampfen. Doch, das gibt es nicht. Nach einiger Zeit sah er wieder Radfahrer und Fußgänger , die sich zwischen den Feldern Richtung Sieghartskirchen bewegten. Also: die Auskunft der Einheimischen ist wirklich zum Schmeißen. Er war richtig wütend: insbesondere auf sich selbst. Er schwor sich: er wird den heutigen Tag penibel nachvollziehen damit er ihn das nächste Mal blind gehen kann.  Man soll es nicht glauben: er erreichte schlussendlich doch Sieghartskichen. In der Konditorei, wo er sich auch schon früher ein Eis gekauft hat, kehrte er ein und rief das Taxi. Um 19:00 Uhr, nach mehr als 50 km,  kam er endlich im Gasthaus Schmid in Ried an.

Am Abend nach dem Abendessen beschäftigte er sich noch lange mit dem Weg. Nun wusste er, wo er falsch abgebogen, den Plan ignoriert oder einfach blöd entschieden hatte. Diese Erkenntnis verbunden mit dem Verständnis, was eine Karte aussagte und wie sie zu interpretieren war, erlaubte ihn, die nächste  Tage in Zeit und auf dem richtigen Weg zu gehen.  Es geht nichts über das eigene Erleben dachte er, bevor er in das Land der Träume entschwebte.

 

Ich hoffe, ihr habt nun Spaß daran, mit mir von Hollabrunn nach Mariazell zu gehen :-)